Intelligent verstehen, aktiv helfen – Ein Besuch am Institut für Verhaltenstherapie-Ausbildung in Hamburg

Therapie auf Augenhöhe mit digitalen Medien? Am Institut für Verhaltenstherapie-Ausbildung in Hamburg (IVAH) gilt es, auf die Individualität der Patienten einzugehen. So weiß Dr. Gerhard Zarbock, Leiter des Instituts, worauf es bei dem Einsatz von Technologie ankommen muss: Sicherheit, Verständlichkeit und vor allem Vertrauen.

Als Diplom-Psychologe und Psychologischer und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ist Dr. Zarbock mit dem klinischen Alltag vertraut. Im Studium noch der tiefenpsychologisch-fundierten Psychologie zugeneigt, widmet er sich nun seit 30 Jahren der Verhaltenstherapie; wohl wissend, dass der damals sehr neue, moderne Ansatz nicht bei allen Psychologen sofort Vertrauen erweckte. Doch die Verhaltenstherapie überzeugte ihn durch eine zielorientierte und partnerschaftlich engagierte Herangehensweise. Zusätzlich entwickelte Herr Dr. Zarbock unter anderem die biografisch-systemische Verhaltenstherapie, in dem ein besonderes Augenmerk auf Grundbedürfnisse, Emotionen und den ganz eigenen Lebensweg des Patienten gelegt wird, indem die Therapie mit Hilfe von Techniken zur biografischen Arbeit lebendiger gestaltet werden kann.

Erst seit kurzem testet das Institut, kurz IVAH – für Dr. Zarbock auch “Intelligent verstehen, aktiv helfen” – den Einsatz von digitalen Plattformen zur Unterstützung des psychotherapeutischen Alltags. Nützlich könnte das für beide Pfeiler des Instituts werden: Im Ausbildungszweig wie auch im ambulanten Bereich. Angehende Psychologen, so die Überlegung, könnten bereits in Schulungen über die Vorteile von Blended Care informiert werden. Aber auch Patienten der ambulanten Therapie-Anlaufstelle könnten von dem Projekt profitieren. Dr. Zarbock will herausfinden, ob digitale Testverfahren dem Therapeuten dabei helfen können, sich statt auf die Auswertung der Diagnostik-Tests mit Bleistift und Schmierzettel ganz auf die therapeutische Arbeit mit dem Patienten zu konzentrieren.

Bevor das neue Projekt in der Ambulanz starten kann, legt er auf die Optimierung einiger technischer Eigenschaften besonderen Wert, zum Beispiel die Benutzerfreundlichkeit der Software. Die Patientenbetreuung könnte von Beginn an mit Einführungs- und Lehrveranstaltungen zum Thema Blended Care in der therapeutischen Versorgung kombiniert werden, sodass der Patient sich Online-Interventionen besser vorstellen kann. So ist es Dr. Zarbock wichtig, dass Apps oder Online-Plattformen möglichst selbsterklärend konzipiert sind, um die Anwendung so einfach wie möglich zu gestalten und die Skepsis gegenüber digitalen Medien im psychosozialen Bereich zu mindern.

Denn der Einsatz von Technologie sät nicht selten noch Zweifel an der Zwischenmenschlichkeit – jener so wichtigen Individualität – die in einer Therapie erwartet wird. Gerade in Deutschland besteht im Gegensatz zu Schweden, den Niederlanden oder auch Australien eine besondere Vorsicht. „Deutschland hat eine ausgeprägte ambulante Therapie-Tradition und ein hohes Misstrauen gegenüber Datenerfassung und Datenmanipulation”, erklärt Dr. Zarbock. “Beides führt dazu, dass die Therapie als sehr persönlich und als nicht messbar interpretiert wird. Technik gilt als Zeichen der Entpersönlichung und Entfremdung, als Form der sozialen Kontrolle – nicht als Unterstützung.“

Genau hier setzt Dr. Gerhard Zarbock mit seinem Projekt an: Nur mit der Integration von eHealth-Tools in der angewandten wie auch edukativen Psychologie kann aus Skepsis langsam Neugier, aus Rückhalt schon bald Fortschritt werden.

Danke, Dr. Zarbock für diesen Einblick in Ihre Arbeit.

27. Februar 2018 | Vanessa Murri

Vanessa Murri

Vanessa Murri ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Seit 2006 lebte und arbeitete sie in unterschiedlichen Ländern wie Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben ihrer Tätigkeit als klinische Psychologin beim internationalen Therapeutennetzwerk Stillpoint Spaces in Berlin hat sie unterschiedliche Projekte konzipiert und realisiert, unter anderem die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Film-Recherche Reihe Station B 3.1 (2015). Ihr 2016 verfasstes Märchen “Mana, Tapu & Tokelau” hat die Handlung zum Tanzfilm „Trieb“ inspiriert.